United we stand!
Berlins MusicTech-Szene in Zeiten der Coronakrise
29.05.2020
Als die Nachrichten über den Ausbruch des Coronavirus Europa erreichten, konnte niemand ahnen, dass sich unser Leben innerhalb weniger Wochen so grundlegend ändern würde. Unser Alltag wurde auf den Kopf gestellt, das öffentliche Leben kam fast gänzlich zum Erliegen.
Zwar stellt der Virus in erster Linie eine Gefahr für die Gesundheit dar, doch ist es auch die Wirtschaft, die zunehmend unter der Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen leidet.
Die Auswirkungen der Krise auf Berlins Wirtschaft
Unternehmen jeder Größe spüren die Auswirkungen des Kontaktverbots.
Viele sind gezwungen Angestellte zu entlassen oder leiden unter Umsatzeinbußen. Berlins MusicTech-Sektor bildet hier keine Ausnahme: Mit dem Verbot von öffentlichen Veranstaltungen und einem einzuhaltenden Mindestabstand von 1,50m zwang die Bundesregierung alle kulturellen Veranstaltungsorte – und damit auch Berlins berühmte Nachtclubszene – vorerst ihre Türen zu schließen. Besitzer*Innen, Veranstalter*Innen, Künstler*Innen, und nicht zuletzt Besucher*Innen und Partygäste verloren, scheinbar über Nacht, ihre Kulturstätten.
Zahlreiche Messen und Festivals wurden ebenfalls abgesagt, verschoben oder auf interaktive Onlineplattformen verlegt. Sowohl die Veranstalter*Innen der „Superbooth“, als auch der „Loop“ entschieden sich, die für April 2020 geplanten Veranstaltungen ersatzlos zu streichen und erst im April 2021 weiter zu machen.
Die genannten Auswirkungen der Pandemie erwecken den Anschein, dass das kulturelle und öffentliches Leben in Berlin; dass das bunte Treiben in der Bundeshauptstadt zum Erliegen gekommen ist. Das stimmt einerseits, dennoch: Berlin wäre nicht Berlin, würde sich die Kreativität dieser Stadt nicht auf die ein oder andere Weise ihren Weg suchen, um weiter existieren zu können.
„Hilfe ist unterwegs!“
Einfach ist die Sache natürlich nicht, aber mit der Unterstützung von lokalen MusicTech-Firmen schafft Berlins Kulturszene sich auch durch diese Krise hindurch zu manövrieren. Vieles, was vorher offline auf Bühnen und in Konzerthallen geschehen ist, verlagert sich nun durch Livestreams und Fundraisingkampagnen ins Internet. Spenden werden gesammelt, um das Überleben von Clubs, Künstler*Innen und Veranstaltungsorten zu sichern. Oft wird ein bestimmter Prozentsatz auch an Hilfsorganisationen wie „Sea Watch“ gespendet.
Viele der gegründeten Initiativen fokussieren ihre Hilfen primär auf den Erhalt der Berliner Clubkultur, doch auch selbstständige Künstler*Innen, Freiberufler*Innen, Soloselbstständige und kleine Unternehmen von zehn oder weniger Mitarbeitern*Innen können bis zu 15.000€ für Sach- und Finanzaufwendungen aus Bundesmitteln beantragen. Genauere Informationen über die diversen staatlichen Hilfsangebote sowie Kredit- und Darlehensoptionen gibt es auf den Webseiten von Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und der Investitionsbank Berlins (Beantragung möglich bis 31.05.2020).
Die schnelle Hilfe von staatlicher Seite ist auch Ausdruck dafür, wie sehr Kunst und Kultur, trotz der Krise, von Seiten der Bundesregierung und Senatsverwaltung geschätzt wird.
Zusätzlich zu den Hilfspaketen gibt es auch noch diese Hilfe zur Selbsthilfe: die Jobmatchingplattform „Berliner Heldinnen“ informiert Arbeitnehmer*Innen über aktuelle, aufgrund der Coronakrise vakante Stellen. Zu finden sind vor allem Jobs im Medizin- und Gesundheitsbereich, aber auch in allen anderen systemrelevanten Berufszweigen.
Streams, Podcasts und mehr
Doch näher noch als Stadt und Staat rücken die Berliner*innen selbst zusammen:
“Helfen.Berlin” ist nur eine Initiative von vielen: ein Onlineshop, der Gutscheine für Berliner Läden, Gastronomie und Veranstaltungsorte verkauft, um so für die Inhaber*Innen das Einkommen zu sichern. Nach Lockerung der Maßnahmen und der Wiedereröffnung des Einzelhandels und der Kulturstätten können diese Gutscheine dann, ganz klassisch, gegen Waren und Dienstleistungen wieder in Umlauf gebracht werden.
Theaterfans kommen dank diverser Livestreams des „Deutschen Theaters“, des „Maxim Gorki Theaters“ und des „Berliner Ensemble“, neben zahlreichen anderen Initiativen diverser Berliner Spielstätten, auf ihre Kosten.
Nicht zu vergessen: Berlins beliebte Dragshows: „The House of“ moderiert von der Dragqueen „Pansy“ findet nun, statt in einer Friedrichshainer Karaokebar, jeden Dienstag auf einem Twitch-Stream statt. Auch hier werden Spenden gesammelt, um die Performer*Innen zu unterstützen.
Wer lieber mit klassischer Musik, Opern und Konzerten durch die Quarantäne kommen will, für den gibt es auf den Webseiten der beiden größten Konzerthäuser Berlins die passenden Angebote zu finden: Das „Konzerthaus Berlin“ streamt unter dem Hashtag #KonzertZUhaus und die Berliner Philharmoniker öffnen die virtuellen Türen zur „Digital Concert Hall“.
Der Berliner Streaming-Dienst „Idagio“, spezialisiert auf klassische Musik, punktet mit einer kostenlosen real-time Videoserie namens „IdagioLIVE“, welche Hörer*Innen und Musiker*Innen durch Streams, Q&As und Backstagetalks zusammenbringt.
Berlins berühmtes Nachtleben
Berlins Elektroszene ist, allen voran, der unbestrittene Vorreiter, wenn es um öffentlichkeitswirksame Onlineangebote geht. Mit der vorübergehenden Schließung aller Bars und Clubs blicken bis zu 9000 Angestellte jetzt in eine ungewisse Zukunft. Um also das Überleben der Partyszene zu sichern, wurden groß angelegte Livestreamplattformen und Fundraisingkampagnen ins Leben gerufen:
Die drei bekanntesten sind „United We Stream“, „Berlin Culture Cast“ und „Berlin Block Party“.
„Berlin Culture Casts“ Fokus liegt auf dem Streamen von Livemusik; „Berlin Block Party“ hat ein Angebot für Hiphopfans am Start, und der mit Abstand erfolgreichste Stream ist „United We Stream“. Täglich ab 19:00 wird aus einer immer anderen Berliner Partylocation, wie beispielsweise der „Griessmühle“, dem „Kater Blau“ oder dem „SchwuZ“, gesendet. Das Projekt ist so erfolgreich, dass mittlerweile auch Clubs aus anderen deutschen und europäischen Städten mitmachen. Die Initiative der „Berliner Clubcomission“, „Berlin Worx“ und „Reclaim Club Culture“ wird unterstütz durch Namen wie „ArteConcert“, „Radioeins“ oder dem „Institut für Bildbewegung (ifbbw)“.
Das Unternehmen hinter dem Stream
Das 2010 gegründete “Institut für Bildbewegung“ ist spezialisiert auf Produktion und Verbreitung von Online Video Content. Das Unternehmen mit Büros in Berlin und Düsseldorf hat bereits mit Kunden wie „Universal Studios“, „Red Bull“ oder „YouTube“ gearbeitet und zählt, dank seines Engagements bei „United We Stream“, ganz klar zu den Gewinnern der Coronakrise.
Das „Institut für Bildbewegung“ kümmert sich mit Personal und Technik um Bildmischung und Encoding des Streams, genauso wie um die Verteilung auf die diversen Kanäle, wie zum Beispiel „Arte Concert“.
Der Erfolg dieses Projekts ist, mit über einer Millionen Klicks am ersten Abend, überwältigend.
Sicher, bei jeder Krise gibt es Gewinner und Verlierer. Und während in diesem Artikel Unternehmen wie das „Institut für Bildbewegung“ oder „Idagio“ aufgrund ihrer Krisenbeständigkeit und Anpassungsfähigkeit hervorgehoben wurden, so soll an dieser Stelle noch einmal betont werden, mit welch selbstverständlicher Solidarität die Berliner*Innen sich durch zahlreiche Initiativen und Projekte einander unter die Arme greifen und damit das Überleben zahlreicher kleiner und großer Unternehmen und Kulturstätten sichern.
Man kann viel sagen über Berlin und seine Bewohner*Innen, doch Taten sprechen mehr als tausend Worte und diese Message ist klar und deutlich: