Ein Interview mit Voicd.FM-Gründer Stefan Zilch
„Stell dir vor, John Lennon hätte einen Podcast gehabt…“
22.06.2020
"Könnten wir den Popkultur-Ikonen von einst lauschen, wie viel mehr würden wir über ihre Zeit erfahren. Genau daher kommt meine Leidenschaft für Podcasts", sagt Stefan Zilch. Er steht mit seinem Unternehmen Vo!cd.FM Kreativen, Labels und Managements zur Seite, die zusammen mit ihm, den Schritt ins Podcast-Universum wagen wollen.
Das Berliner Startup Vo!cd.FM ist das erste unabhängige Podcast-Netzwerk speziell für alle Themen zeitgenössischer Popkultur. Vom Recording über die Monetarisierung bis hin zur Distribution eines fertigen Podcasts auf allen bekannten Plattformen wie Spotify, Apple Music oder Deezer – Voicd.FM-Gründer Stefan Zilch steht Künstler*innen, Labels und Managements mit Rat und Tat zur Seite.
Für „MusicTech Berlin“ hat sich der ehemalige Geschäftsführer von Spotify Deutschland und Regional Managing Director des schwedischen Podcast-Vermarkters Acast Zeit genommen, um mit uns über sein Unternehmen, die Kreativhauptstadt Berlin und Podcasts als ein Stück popkulturelle Zeitgeschichte zu sprechen.
P: Zum Einstieg: Gelingt es dir, deine Idee zu Vo!cd.FM in wenigen Worten zu beschreiben?
S: Eigentlich bin ich Podcast-Berater. Ich berate Künstler*innen, Labels und Managements aus der Musik- und mittlerweile auch aus der Entertainmentbranche rund um das Thema Podcasts. Das fängt oft damit an, dass ich meinen Kund*innen die verschiedenen Geschäftsmodelle auf dem Markt erkläre, und führt dahin, dass wir gemeinsam mit den Kund*innen aus einer Idee ein Produkt zu machen – in meinem Fall eben einen Podcast.
Ich weiß, dass der Podcast-Kosmos eine unheimliche Bandbreite bietet – von Comedy bis Crime. Aber ich habe das Gefühl, dass in diesem Universum insbesondere aus der Popkultur viele Stimmen fehlen, für die ich mich interessiere, die auch viel Spannendes zu erzählen haben.
P: Wie kommt es zu dieser Lücke im riesigen Angebot an Podcasts?
S: Ich glaube, dass vielen das Verständnis für die richtige Vermarktung eines Podcasts fehlt. Hier wirken oft andere Mechanismen als in der Musikbranche. Das überrascht viele Künstler*innen, die ich berate. Podcasts werden entweder in Eigenregie vermarktet, indem sie auf mehreren internationalen Plattformen angeboten werden. Oder es gelingt, Exklusivverträge mit einer Plattform zu schließen, die Podcast pro Folge oder pauschal honoriert. Im übertragenen Sinne – bezogen auf die Musik – wird die Plattform quasi zum Label und wirbt mit dem Podcast auch für die eigenen Inhalte. Wichtig ist aber: Streaming-Portal ist nie gleich Streaming-Portal. Darin besteht mein Job. Ich stehe meinen Klient*innen bestmöglich für ihre Belange beratend zur Seite, damit sie die richtigen Entscheidungen treffen können.
P: Wo ist der Beratungsbedarf für deutsche Podcaster*innen am größten? Wo setzt du am häufigsten an?
S: Weder Musiker*innen oder anderen popkulturellen Künstler*innen noch Labels mangelt es heute noch an technischem Know-how oder Ausstattung, um einen Podcast zu produzieren. Der größte Bedarf besteht tatsächlich darin, die Welt der Podcast und ihre Mechanismen zu vermitteln.
Gehe ich mit meinem Podcast exklusiv auf eine Plattform? Dann gehört mein Content aber nicht mehr nur mir. Will ich hingegen auf mehreren Plattformen präsent sein, brauche ich Hilfe bei der Vermarktung, bei der Akquise von Werbekunden sowie beim technischen Prozedere – der Distribution. Podcasts liefern vordergründig Inhalte, sind aber hinter den Kulissen auch ein sehr technisches Medium, für das zusätzlich jede Plattform auch noch ein bisschen anders funktioniert.
Für mich ist es am spannendsten, mit meinen Kund*innen zu brainstormen. Wenn Menschen mit Ideen und konkreten Vorstellungen an mich herantreten, wir diese Ideen in einem kreativen Prozess gemeinsam feinschleifen und herausfinden, durch welche Türen wir den Markt betreten wollen. Meine Rolle ist dabei eher die des „Enablers“ für Kreative, die bereits ein grobes Konzept mitbringen.
P: Welche Vorteile bietet Berlin als Standort für die Podcastszene? Warum sitzt Voicd.FM hier?
S: Ich komme ursprünglich aus dem Norden, arbeite aber schon lange in Berlin – Mein Kiez ist der Wedding. Für mich ist Berlin auch in Sachen Kreativität immer noch die wichtigste Stadt in Deutschland. Sony Music beispielsweise zieht nicht grundlos komplett von München nach Berlin. Und gerade für die junge Podcast-Szene bietet Berlin unheimlich viel. Nationale und internationale Player sind hier schon lange zuhause und es kommen immer mehr dazu. Anfang des Jahres haben wir zusammen mit Acast und Blinkist ein Podcast-Meet-Up veranstaltet, das unheimlich erfolgreich war. Wir dachten, da kommen vielleicht 20 Leute. Dann mussten wir die schnell die Anmeldung schließen, weil man uns die Bude eingerannt hat – darunter Mitarbeiter der Marktführer und Branchengrößen wie Spotify, Deezer oder RTL mit AudioNOW. Das hat gezeigt, wie groß der Bedarf ist. Podcasts gibt es nicht erst seit gestern, Pioniere dieses Formats senden teilweise seit über zehn Jahren. Aber momentan steigt die Nachfrage enorm. Mittlerweile hat jeder Verlag, jeder Radio- oder TV-Sender seine eigene Podcast-Abteilung. Da ist der Wunsch nach Networking sowie Austausch und Wissenstransfer innerhalb der Szene groß.
P: Wer wäre deine persönliche Traumbesetzung für einen Podcast über Popkultur oder Musik?
S: Es gibt so viele, die vieles zu sagen hätten, da kann ich mich gar nicht auf einen oder eine aktuelle Künstler*in festlegen. Ich erlebe aber häufig, dass mich Menschen, mit denen ich an einer Idee für einen Podcast feile, fragen: „Ach, was soll ich denn da erzählen?“. Ich antworte dann immer, dass sie sich vorstellen sollten, dieses Format hätte es schon vor 50 Jahren gegeben. Wenn wir hätten mehr erfahren können über die Gedankenwelten von Künstler*innen wie John Lennon, Janis Joplin, Rio Reiser oder Freddie Mercury – abseits ihrer Musik. Diese Aufnahmen wären heute ein Stück popkulturelle Zeitgeschichte. Und zwar keine „Snapshots“, die kurz hochgeladen werden, um sofort wieder zu verschwinden. Könnten wir diesen Popkultur-Ikonen heute lauschen, wie viel mehr würden wir über sie und ihre Zeit erfahren? Es gibt noch so viele ungehörte Stimmen und Geschichten da draußen, die nur darauf warten, erzählt zu werden.
Vielen Dank, Stefan!